Corona-Korrektur von -13% in 7 Tagen: Einordnung & 4 Tipps
Die Aktienmärkte haben, ausgelöst durch weitere Verbreitung des Coronovirus, zwischen 10 und 15% verloren – in nur einer Woche. Einen derart starken Verlust innerhalb von 7 Tagen gab es zuletzt während der Finanzkrise 2008.
Wir beschäftigen uns nicht mit kurzfristigen Spekulationen auf Marktentwicklungen – so auch hier. Eine so denkwürdige Woche möchte ich aber einmal einordnen und dabei auf folgende Punkte eingehen:
- Wie sehen die Fakten aus?
- Wie sind die bisherigen Verluste historisch einzuordnen?
- Wie geht ein Experte wie Warren Buffett mit der aktuellen Krise um?
- Wie solltest du jetzt handeln? 4 Tipps & Lektionen für die aktuelle Korrektur
Diese Punkte bespreche ich in der folgenden Podcast-Episode. Die wichtigsten Punkte findest du hier zusätzlich aufgelistet.
Was ist passiert? Anlageklassen & Indizes im Vergleich
Die globalen Aktienindizes haben innerhalb einer Woche (21. – 28.02) beträchtlich an Wert verloren:
DAX: – 12,4 %
mDAX: – 12,5 %
S&P500 (USA): – 11,5 %
Nasdaq (USA, Tech): – 10,5%
Nikkei 225 (Japan): – 9,5 %
SSE (China): – 5,5 % (gestützt durch Geldpolitik, der größte Verlust war schon einen Monat vorher)
Auf 10-Tagessicht liegen die Verluste einiger Indizes bei knapp 15%.
Die Verluste haben die Märkte flächendeckend getroffen: Im S&P500 haben alle 11 Branchen ihre bisherigen Jahresgewinne wieder verloren.
Direkt davor hat der mächtigste Mensch der Welt ironischerweise folgendes getwittert:
Highest Stock Market In History, By Far!
— Donald J. Trump (@realDonaldTrump) February 19, 2020
Gold – und mittlerweile auch Bitcoin – werden in solchen Situationen als Krisenanker bezeichnet. Die Theorie der Befürworter besagt: Wenn die Aktienmärkte einbrechen, flüchten Anleger in diese Werte.
Aber auch diese haben nicht gut abgeschnitten:
Am 28.02. ist der Goldpreis um 3,5 % gefallen, so stark wie zuletzt 2013. In Summe ist der Goldpreis im Februar weitestgehend bei 1.575 US-Dollar stehengeblieben.
Der Bitcoin-Kurs ist in der oben erwähnten Woche um 11,5 % gefallen.
Einordnung der Verluste: Was sagen die Fakten?
Einen Verlust von mindestens 10,7% über 5 Tage gab es in den folgenden Situationen:
- Dotcom-Krise (2000 – 2002)
- Finanzkrise (2008 – 2009)
- Eurokrise (2011)
- Entwertung der chinesischen Währung Yuan (2015)
S&P 500 down 10.7% over the last five days, which doesn’t happen too often.
— Michael Batnick (@michaelbatnick) February 27, 2020
Over last 20 years:
-Yuan Deval (2015)
-Eurozone crisis (2011)
-GFC (’08/’09)
-Dotcom bubble (’00,’01,’02) pic.twitter.com/SAB22BvGCf
Du siehst: Eine solche Woche ist zwar nicht einzigartig, aber kommt selten und in der Regel nur alle paar Jahre vor.
Der VIX, also der Index, der die Volatilität misst, ist auf den höchsten Stand seit der Finanzkrise gestiegen.
Highest VIX since 2008 (meaning 2nd highest level ever)
— Ben Carlson (@awealthofcs) February 28, 2020
*the VIX didn’t exist in 1987 pic.twitter.com/HQG6mArxgX
Ein Verlust von 9,5 % über 4 Handelstage hat es im US-amerikanischen Aktienmarkt seit 1987 22 Mal gegeben. Nick Maggiulli hat analysiert, wie es in den 22 Szenarien, nach einer solchen Verlustperioden, weiterging:
What happened historically over the next 10 sessions: pic.twitter.com/eSyShfZ5el
— Nick Maggiulli (@dollarsanddata) February 27, 2020
Du siehst eine große Bandbreite an Entwicklungen. Der Durchschnitt ist leicht positiv.
Was wir dabei nicht vergessen dürfen: Die Kurse stehen heute immer noch ähnlich hoch wie im Oktober 2019 und höher als vor gut einem Jahr im Dezember 2018.
Der Drawdown, also der maximale kumulierte Verlust, liegt in diesem Jahr bei 15,8 %. Das entspricht ziemlich genau dem Durchschnitt der letzten 50 Jahre. Bedeutet: Wenn es bei der jetzigen Korrektur bleibt, war es – bezogen auf den Maximum Drawdown – ein durchschnittliches Jahr. Da wir uns noch am Anfang des Jahres befinden, kann der Drawdown natürlich noch steigen.
Maximum annual drawdown for the S&P 500 since 1970.
— Michael Batnick (@michaelbatnick) February 28, 2020
Average is -15.7% (intraday high to low).
We're right there. pic.twitter.com/E1paYA1lpj
Und was macht die Geldpolitik?
Die FED, die US-amerikanische Notenbank, hat Gegenmaßnahmen eingeleitet. Powell, der Chef der FED, sagte vor Kurzem: „Wir werden unsere Werkzeuge nutzen und angemessen handeln, um die US-Wirtschaft zu unterstützen.“
Was können wir also festhalten?
- Wir wissen nicht, wie es kurzfristig weitergeht. Das gilt übrigens nicht nur für die jetzige Korrektur wegen des Coronavirus, sondern für jede Korrektur, die wir in der Vergangenheit gesehen haben oder in Zukunft sehen werden.
- Wir haben eine heftige Korrektur erlebt, stehen aber im langfristigen Trend nach wie vor gut dar.
- Der Wirtschaft geht es womöglich nicht so schlecht, wie der Kurssturz und Börsenmedien es suggerieren. Mehr dazu gleich.
Wie solltest du jetzt handeln? 4 Tipps & Lektionen
Schauen wir auf vier Handlungsmöglichkeiten, um souverän mit dieser Korrektur umzugehen.
#1 – Keine Panikverkäufe & langfristig denken
Wie die Verbreitung des Coronavirus weitergeht ist kaum vorherzusehen. Und noch schwieriger ist vorherzusehen, wie die Börse auf diese Entwicklungen kurzfristig reagieren wird. Diese Spekulationen bringen uns daher nicht weiter.
Was du nun nicht tun solltest: Jetzt aus Panik zu verkaufen und deine Strategie über den Haufen werfen.
Natürlich können die Kurse weiter fallen. Wenn du allerdings keinen fundamentalen Grund hast und nur deshalb verkaufst, weil Kurse fallen, um dann wieder zu kaufen, wenn Kurse steigen, ist das zyklisches Investieren und du läufst in Gefahr, immer zu spät zu kommen.
Auch Warren Buffett hat sich zu den Auswirkungen für Anleger aufgrund des COVID19-Virus geäußert:
[…] Buffett said investors with a 10- to 20-year time horizon and focused on companies’ earnings power will fare well in stocks, and that the outbreak has “not changed” his long-term outlook.“It is scary stuff,” Buffett said. “I don’t think it should affect what you do in stocks.”
[…] “There’s always trouble coming,” he said. “The real question is where are those businesses going to be in five or 10 years.”Quelle: reuters.com
Denke nicht in Tagen, sondern in Jahrzehnten – und handle dementsprechend.
Wir wissen nicht, wie die Kurse sich kurzfristig entwickeln werden. Wir wissen aber, dass der Fokus auf langfristige Entwicklungen dich deutlich entspannter machen kann als der Fokus auf wenige Tage.
Der langfristige Trend sieht nicht so schlimm aus, wie die Weltuntergangsstimmung der Börsenmedien es suggeriert:
Die Bank of America hat kürzlich gewarnt, dass die Weltwirtschaft in diesem Jahr voraussichtlich so langsam wachsen wird wie zuletzt 2008.
Klingt dramatisch. Aber: Dahinter steckt die Prognose, dass die Wirtschaft um 2,8 % wachsen wird.
Das ist im Vergleich zu den letzten Jahren tatsächlich wenig. Aber es klingt nicht nach einem Auslöser, der die aktuelle Panik von vielen Anlegern und Börsenmedien begründet.
#2 – Preis und Wert unterscheiden
Wir müssen zwei Dinge unterscheiden: Den Preis und den Wert.
Anhänger der Effizienzmarkthypothese gehen davon aus, dass Preis und Wert sich 1:1 identisch bewegen. Ein Großteil der Anleger geht aber davon aus, dass es kurzfristig zu Unter- und Übertreibungen kommen kann und Wert und Preis sich entkoppeln.
Die Aktienkurse sind weltweit um 10 – 15 % gefallen. Aber ist es auch der Wert der Unternehmen?
Gehen wir davon aus, dass der Coronavirus die Gewinne und Umsätze der Unternehmen in den nächsten 2 – 3 Quartalen negativ beeinflussen wird. Rechtfertigt das einen um 10 – 15 % niedrigeren Unternehmenswert?
Prinzipiell denke ich: Ja, ein niedrigerer Wert ist gerechtfertigt, in der Höhe ist er aktuell leicht überzogen.
Das kann zu zwei Gedanken führen:
Erstens: Du besitzt Anteile an Unternehmen. Die Anzahl der Unternehmen ist nach wie vor gleich (auch wenn diese Unternehmen aktuell Schwierigkeiten haben).
Zweitens: Wenn du zu dem Schluss kommst, dass die Aktienmärkte oder einzelne Aktien stärker im Preis gefallen sind, als im Wert, kannst du Nachkäufe in Erwägung ziehen. Mehr dazu jetzt.
#3 – Keep calm and buy stocks
Investieren, wenn die Kurse gefallen sind, nehmen sich viele Anleger vor. Und das Vorhaben kann durchaus sinnvoll sein. Es gibt aber einige Hürden, die dazu führen, dass sich die Praxis von der Theorie unterscheidet.
Du schaust dir die Kursentwicklung der Vergangenheit an, siehst die Crashs der Vergangenheit – die Dotcom-Blase, die Finanzkrise oder die Eurokrise – und wartest freudig auf die Gelegenheit, selbst zu so einem Zeitpunkt zu investieren.
Soviel die Theorie. Und in der Praxis?
Was in der Theorie so gut klingt, ist in der Praxis enorm schmerzhaft. Oder fühlt es sich gerade gut an, jetzt nach so einer Woche zu investieren?
Ein Kauf bei fallenden Kursen tut immer weh. Was auf einem theoretischen Chart so einfach aussieht erfordert viel Disziplin.
Wenn du regelmäßig über einen Sparplan investierst: Lass ihn investieren und bleib bei deiner Strategie.
Wenn du risikofreudig bist, kannst du auch gezielt jetzt investieren. Sei dir aber bewusst, dass es bei so einer Korrektur immer noch etwas runter gehen kann.
Meb Faber hat nachgerechnet: Wie haben US-Aktien historisch seit 1900 abgeschnitten, wenn die Kurse in einem Monat 10 % oder mehr verloren haben?
in 1 Monat: – 0,1 %
in 3 Monaten: 7,5 %
in 6 Monaten: 11,1 %
in 12 Monaten: 14,6 %
Good news for your happy hour tonite…
— Meb Faber (@MebFaber) February 29, 2020
Back to 1900, in the months following a -10% return on US stocks, future returns:
1 month: -0.1%
3 month: 7.5%
6 month: 11.1%
12 month: 14.6%
Results even better in modern era post WWII
Anders gesagt: Im Durchschnitt gibt es kurzfristig Schmerzen, mittelfristig Belohnung. Wie gesagt, im Durchschnitt.
Wenn du investieren möchtest, hast du unterschiedliche Möglichkeiten: Du kannst in den gesamten Markt investieren, bspw. über ETFs auf den MSCI World oder den MSCI Emerging Markets.
Alternativ kannst du dir bestimmte Aktien oder Branchen raussuchen, die zwar im Wert verloren haben, obwohl sie womöglich nur schwach vom Virus beeinflusst sind.
Ein Beispiel: Tech-Aktien.
Ein Unternehmen wie Apple ist negativ betroffen, da Lieferketten aus China unterbrochen sind. Das gleiche gilt für Fashion-Unternehmen und weitere Branchen.
Unternehmen wie Netflix (- 9,5 %), Alphabet (- 17,3 %), Facebook (- 16,4 %), SAP (- 15 %) und Salesforce (- 14 %) sind reine Digitalunternehmen. Es werden keine Lieferketten durchbrochen.
Natürlich können auch diese negativ betroffen sein – bspw. Facebook und Alphabet, da diese wiederum von Werbeausgaben anderer Unternehmen abhängen – sind es aber deutlich schwächer als Unternehmen, die höhere Abhängigkeiten vom chinesischen Markt haben, sei es in der Lieferkette oder bei der Nachfrage.
#4 – Akzeptiere das systematische Risiko
Die aktuelle Korrektur ist schmerzhaft. Sie beinhaltet aber wertvolle Lektionen:
Du kannst dich nicht auf jede Situation vorbereiten. Es gibt Ereignisse, „schwarze Schwäne“ (nach Nassim Taleb), auf die du dich nur durch eine kluge Asset Allocation vorbereiten kannst. (Ein zentrales Element, das ich in der Aktienrebell Academy intensiv behandle)
Außerdem kannst du durch so eine starke Korrektur deine eigene Risikotoleranz überprüfen. In dem seit 10 Jahren steigenden Aktienmarkt mutig zu sein und riskant zu investieren, ist einfach. Ein solcher Rückgang zeigt dir, wie du mit Verlusten umgehst und ob deine Risikotoleranz richtig einschätzt hast.
Auch, wenn es weh tut: So kann es eine lehrreiche Lektion – und durch geschicktes Nachkaufen womöglich auch eine Chance – für dich sein.